Menschen mit Suchtproblemen berichten oft auch über traumatisierende Erlebnisse in ihrer Kindheit oder als Jugendliche. Für viele von ihnen waren Suchtmittel zunächst eine Lösungsmöglichkeit, um mit den Folgen dieser furchtbaren Erlebnisse besser umgehen und die Symptome kontrollieren zu können.
Somit reicht es häufig nicht aus, „nur“ die Suchtthematik anzuschauen, sondern es ist nötig, die Traumatisierungen in den Blick zu nehmen und zu behandeln, damit der Konsum langfristig entfallen kann.
Sucht in Deutschland
Das Bundesministerium für Gesundheit gibt für das Jahr 2018 folgende Zahlen bekannt:
In Deutschland gibt es ca. 12 Millionen Raucher
1,6 Millionen Menschen sind alkoholabhängig
2,3 Millionen Menschen sind abhängig von Medikamenten
600.000 Menschen Menschen konsumieren Cannabis und andere Drogen in problematischer Weise
500.000 Menschen haben ein problematisches oder pathologisches Verhalten in Bezug auf Glücksspiele
Es ist davon auszugehen, dass in Deutschland circa 560.000 Menschen onlineabhängig sind
(Quelle: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/sucht-und-drogen.html, abgerufen am 31.1.2023)
Oft sprechen Menschen mit Traumatisierungen auf die Standardverfahren der Suchtbehandlung nicht ausreichend an und brechen in vielen Fällen die Therapie vorzeitig ab. Inzwischen weiß man, dass Menschen mit einem erhöhten Suchtmittelgebrauch auch ein größeres Risiko einer Traumatisierung haben.
Was ist ein Trauma?
Bei einem Trauma handelt es sich um eine seelische Wunde. Es wird auch bezeichnet als „vitales Diskrepanzerleben zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Welt- und Selbstverständnis bewirkt.“ (Quelle: Lehrbuch der Psychotraumatologie, G. Fischer und P. Riedesser).
Nicht jedes schreckliche Ereignis führt zu einer Traumatisierung oder zu Traumafolgestörungen. Die Schwere und Dauer des Ereignisses trägt jedoch wesentlich dazu bei, wie ein Mensch dies verarbeiten kann, wobei dies auch von den individuellen Verarbeitungsvoraussetzungen abhängt. Man kann jedoch davon ausgehen, dass sexualisierte Gewalt, andauernde physische Misshandlung, emotionale Vernachlässigung oder mehrfache Verlusterfahrungen in der Kindheit zu schweren Traumatisierungen führen. In den Biographien von Suchtmittelkonsumenten finden sich häufig derartige Bindungstraumatisierungen. Diese Erfahrungen werden im Gedächtnis anders verarbeitet als andere Ereignisse, bei denen die Erinnerung eindeutig der Vergangenheit zugeordnet werden kann. Traumatische Erfahrungen führen jedoch zu einem erneuten Durchleben der jeweiligen Situation. Sie bleibt also „immer frisch“, wird nicht zur Vergangenheit. Man gerät wieder hinein und erlebt sich in Zuständen der Angst, der Reizüberflutung oder der Aggression. Man fühlt sich der Situation immer wieder neu ohnmächtig ausgeliefert. Weitere Symptome können innere Taubheit, Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, Übererregbarkeit sein.
Die Deutsche Traumafolgekosten-Studie (2012) beschreibt folgende Traumafolgestörungen: Depressive Störungen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, Suizid, Posttraumatische Belastungsstörung, Suchterkrankungen, Somatoforme Störungen, Verhaltensstörungen,
Entwicklungsstörungen, Übergewicht, Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Ischämische
Herzkrankheit, Schlaganfall, Krebs, Chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COLD),
Lebererkrankungen und Frakturen als Traumafolgestörung –… aber auch Faktoren wie Rauchgewohnheiten, Kriminalität, Sexualverhalten oder negative Schullaufbahn.
Was ist Sucht?
Suchtverhalten ist gekennzeichnet durch ein starkes Verlangen oder den Zwang, die Substanz zu konsumieren. Je weiter der Konsum fortschreitet, desto weniger Kontrolle kann der Betreffende üb, um mit den Folgen dieser furchtbaren Erlebnisse besser umgehen zu könnSymptome kontrollieren zu können. en. n. . chd. Irgendwann kann es geschehen, dass sich das gesamte Leben nur noch um den Gebrauch der jeweiligen Substanz dreht und man trotz der schädlichen oder zerstörerischen Folgen nicht mehr davon lassen kann. In der Folge kommt es beispielsweise zu Schulversagen, Arbeitsunfähigkeiten, Konflikten mit dem Gesetz und zwischenmenschlichen Problemen. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass, je früher die Selbstschädigung beginnt, desto gravierenden sind die Folgen.
Sucht als „Lösungsmöglichkeit“ für Symptome von Traumafolgestörungen
Um die Spannungszustände innerhalb einer Traumafolgestörung zu lindern oder nicht mehr zu spüren, greifen manche Menschen zu Suchtmitteln. Sie versuchen, wiederkehrende Überflutungszustände und Übererregbarkeit zu kontrollieren, indem sie alle auslösenden Reize meiden. Emotionale Taubheit, das „Abgeschaltet sein“, verspricht einen gewissen Schutz gegen das Wiedererleben des traumatisierenden Erlebnisses. (Quelle: Michaela Huber, 2016) Unaushaltbare Körperempfindungen können so beseitigt werden. Sie finden also zunächst einmal eine Lösung für ein Problem.
Neben Medikamenten, vor allem Schmerzmitteln und Nikotin, wird in erster Linie Alkohol genutzt. Er ist überall verfügbar und wirkt angstlösend und beruhigend.
Sucht und Traumafolgestörungen in Kombination
Kommen Sucht und Traumafolgestörungen zusammen, erhöhen sich die jeweiligen Symptome. Es kommt zu einer Vervielfältigung der Stressfaktoren und die Bewältigungschancen stehen schlechter als bei jeder der beiden Störungen allein (Quelle: Meichenbaum, 2003). Für die Therapie bedeutet das, dass beides gleichzeitig in den Fokus genommen wird. Die gesamte Persönlichkeit leidet unter extremem traumatischem Stress, möglicherweise Bindungsstörungen, die es zu beachten gilt. In Bezug auf die Sucht ist es wichtig, allmählich zu lernen, die Stresstoleranz zu erhöhen. Gleichzeitig können, wo immer möglich, traumatische Situationen anerkannt und verstanden werden, die Bestandteil einer Langzeittraumatisierung geworden sind.
Ulrike Englmann Traumatherapie & Trauerbegleitung, Fürth
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